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Mit einem neuen Schutzkonzept will Martha-Maria die Mitarbeitenden und die uns anvertrauten Menschen noch besser vor sexualisierter Gewalt schützen.
Im Januar hat eine große angelegte Studie zum sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche und der Diakonie für Aufsehen gesorgt. Grund genug, sich auch in Martha-Maria verstärkt mit diesem Thema zu befassen. Im Auftrag des Vorstands wird derzeit ein Präventionskonzept gegen sexualisierte Gewalt erarbeitet. Die Botschaft ist klar: Martha-Maria unternimmt alles, um die Mitarbeitenden und die uns anvertrauten Menschen zu schützen. Dazu gehören unter anderem Anlaufstellen für betroffene Mitarbeitende, ein geregeltes Verfahren bei angezeigten Fällen sowie präventive Maßnahmen.
Räume und Prozesse im Blick
Bei der Konferenz Leitender Mitarbeiter am 24. April stellte unter anderem Sophie Boerscheper, Referentin der Geschäftsführung im Krankenhaus Halle-Dölau, den aktuellen Stand der Arbeitsgruppe vor. Am Anfang steht demnach die Gefährdungsanalyse, bei der auch räumliche Gegebenheiten und Abläufe untersucht und bewertet werden. Prävention, Aufklärung, die sofortige Intervention bei Verdachtsfällen und die Unterstützung Betroffener gehören ebenso dazu wie die offensive Aufarbeitung von Vorfällen.
Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Hans-Martin Niethammer (Vorstandsvorsitzender) setzt sich zusammen aus Christoph Benke (Organisationsentwicklung), Sophie Boerscheper (Referentin der GF im KH Halle), Judith Burkard (Präventionsbeauftragte und MAV im St. Theresien-Krankenhaus), Pastorin Gerda Eschmann (Seelsorge im Seniorenzentrum Honau), Laura–Christina Schöpp (Einrichtungsleitung Seniorenzentrum München) und Christiane Westphal (Vorsitzende Gesamt-MAV).
Machtgefälle und Machtmissbrauch
Die Dimensionen sexualisierter Gewalt erläuterte Dr. Marlene Kowalski von der Diakonie Deutschland in ihrem Referat. „Sexualisierte Gewalt entsteht dann, wenn Menschen ihre Macht missbrauchen, um ihre eigenen Bedürfnisse auf Kosten der ihnen anvertrauten Menschen durchzusetzen", erklärte die Erziehungswissenschaftlerin. Deshalb müssten vor allem Führungskräfte für das Thema sensibilisiert und geschult werden.
Kowalski stellte die verschiedenen Abstufungen vor: Grenzverletzungen, Übergriffe und schließlich strafrechtlich relevante Formen der sexualisierten Gewalt. Während letzte Form immer zur Strafanzeige gebracht werden muss, gibt es für die anderen Formen unterschiedliche Handlungsempfehlungen. Immer aber, so betonte die Referentin, stehe das Interesse der Betroffenen an erster Stelle. Sie müssten angehört, ernst genommen und geschützt werden.
Starke Abwehrmechanismen
Leider gebe es in Kirche und Diakonie vielfach die Überzeugung , dass sexualisierte Gewalt in den Gemeinden und Einrichtungen auf Einzelfälle beschränkt sei. Dagegen sprächen aber die Ergebnisse der Aufarbeitungsstudie ForuM, die im Januar veröffentlicht wurde: Demnach gibt es eine starke Abwehrhaltung, eine „Verantwortungsdiffusion und –delegation auf allen Ebenen" sowie Zurückweisung, Inkompetenz oder institutionelle Abwehr, wenn Betroffene Fälle meldeten oder zu fordernd auftraten. „Fürsorge und Seelsorge richteten sich in der Vergangenheit eher auf die beschuldigten Personen/Täter als auf die Betroffenen."
Was Betroffene brauchen
Anhand einiger Beispiele verdeutlichte Kowalski die Mechanismen sexualisierter Gewalt. Es sei wichtig, dass sich Betroffene mit ihren Erfahrungen auseinandersetzen. „Aus der Trauma-Forschung weiß man, dass dies oft zeitverzögert passiert“, sagte sie. „Was Betroffene vor allem brauchen, ist eine Anerkennung ihres Leidens und eine Abmilderung der Folgen in ihrer gegenwärtigen Situation."
Ziel müsse sein, organisationale Rahmenbedingungen zu schaffen,
- die vor Missbrauch, Gewalt und Übergriffigkeit schützen,
- in der mögliche strukturelle, personelle und räumliche Risiken reflektiert werden,
- die es Betroffenen ermöglichen, sich ohne Angst an Leitungspersonen und/oder zuständige Stellen zu wenden.